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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: 2 M 242/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 36
Um über ihr Einvernehmen nach BauGB § 36 entscheiden zu können, muss der Gemeinde der vollständige Vorgang - einschließlich evtl. nachträglich erhobener Unterlagen - vorgelegt werden, der die Beurteilung des Vorhabens ermöglicht.

Die Bauvorlagenverordnung begrenzt diesen Informations-Anspruch nicht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 242/03

Datum: 29.10.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf §§ 154 Abs. 2 , 159 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen bleiben ohne Erfolg.

Die geltend gemachten Gründe vermögen das Ergebnis erster Instanz nicht zu erschüttern.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BauO-LSA bereits deshalb rechtswidrig ist, weil die Antragstellerin i. S. v. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden, deren Mitwirkungsrecht wiederum Ausfluss ihrer gemeindlichen Planungshoheit ist.

Die hier zur Genehmigung stehenden zwei Windkraftanlagen unterliegen unabhängig von ihrer aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB folgenden Privilegierung der planungsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung - allerdings auch nur dieser - durch die Antragstellerin. Der damit materiell-rechtlich begrenzte Prüfungsumfang, der zugleich den Gegenstand des gemeindlichen Einvernehmens bildet, erfordert, dass die insoweit notwendigen Baugenehmigungsunterlagen der Gemeinde "vollständig" vorgelegt werden. Was Vollständigkeit in diesem Sinne bedeutet, orientiert sich - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht (ausschließlich) an den Anforderungen der Bauvorlagenverordnung (BauVorlVO) vom 13.12.2001 (GVBl. LSA S. 614), die sich primär an den Bauantragsteller richten und im Hinblick auf ihren Umfang und Inhalt sich auf das zur Beurteilung der Bauvorhaben Erforderliche beschränken (§ 1 Abs. 3 BauvorlVO), was die Nachforderung weiterer Unterlagen ohnehin nicht ausschließt (§ 1 Abs. 6 BauVorlVO).

Entscheidend für die Frage, ob ein Bauantrag der um Einvernehmen ersuchten Gemeinde "vollständig" vorliegt, ist allein, ob die vorgelegten Unterlagen die Gemeinde in den Stand versetzen, die jeweils geschuldete rechtliche Beurteilung des Vorhabens zu leisten.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, das die der Antragstellerin mit der Anfrage um Einvernehmenserteilung am 08.04.2002 zur Verfügung gestellten Planunterlagen in diesem Sinne unvollständig waren; denn der Antragsgegner hat danach weiteres entscheidungsrelevantes Material (vgl. hierzu VGH BW, Urt. v. 07.02.2003 - 8 S 2563/02 -, ZfBR 2003, 586), wie etwa Lärm- und Schattenwurfgutachten, von der Beigeladenen angefordert, überarbeiten lassen und letztlich der Baugenehmigung -- ohne Kenntnisnahme der Antragstellerin - zugrunde gelegt.

Dieser Mangel ist auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil die Antragstellerin ihr Einvernehmen aus (anderen) Gründen, nämlich der Landschaftsbeeinträchtigung, verweigert hat; denn das ordnungsgemäße Beteiligungsverfahren einer Gemeinde i. S. v. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB dient der Verwirklichung ihrer Planungshoheit zunächst ohne Ansehen ihrer Rechtsauffassung.

Gleiches gilt für den Einwand, die Antragstellerin habe das Fehlen von prüffähigen Gutachten über Lärm- bzw. Schattenentwicklung des Vorhabens gar nicht reklamiert. Es hieße die Anforderungen zu überspannen, forderte man von einer Gemeinde, die auf noch ungelöste - der Baugenehmigung möglicherweise entgegenstehende - Probleme nicht hingewiesen wurde, von sich aus um entsprechende Ergänzung der Unterlagen zu bitten.

Ende der Entscheidung

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